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Wolf's Rain

Nachdem letzte Woche mit Hataraku Maou-sama ein definitiver Vertreter des Comedy-Genres unter die Lupe genommen wurde, darf es heute mal etwas Bodenständigeres sein. Vielleicht sogar ein Klassiker. Vielleicht sogar ein richtig guter. Probieren wir es doch mal mit Wolf's Rain - und zeigen so gleich in Woche zwei, wie breit gefächert das Medium Anime tatsächlich ist.

"Stalker" meets "Fallout"

Cheza
"Cheza" in ihrer Nährlösung: Wolf's Rain besticht durch die Verwendung klassischer optischer Motive der Fantastik, stellt diese jedoch in ungewohnter Form nebeneinander.

Ich muss ganz offen zugeben, Wolf's Rain - trotz mittlerweile sechs Jahre währender Anime-Leidenschaft - bis vor Kurzem nicht gekannt zu haben; bzw., wie das in diesen Fällen meistens so ist, nur dem Namen nach. Merkwürdig eigentlich - und rückblickend vielleicht eine Warnung, nicht immer nur die aktuellsten Titel im Auge zu haben. Doch kommen wir zum Inhalt.

 

Wer den Abschnittstitel gelesen hat, wird es leicht erahnen können: Die Serie spielt in einer postapokalyptisch angehauchten Welt mit - eher ungewöhnlich für eine japanische Produktion - stark russischem Einschlag (bis hin zur Beschriftung der nicht selten sichtbaren Wodkaflaschen). Der größte Teil der Erde ist wahlweise eine karge Wüstenlandschaft oder unter einer dicken Eisdecke verborgen; die wenigen Menschen dieser Welt leben in vereinzelten Kuppelstädten, die von offensichtlich verfeindeten, uralten (aber auch längst verblassten) Adelshäusern mit großer Distanz zum Volk regiert werden. Wissenschaft, Alchemie und Mystizismus bilden ein unklares Ganzes, das zum größten Teil aus ferner Vergangenheit überliefert wurde. Über die weiß man nur, dass vor vermutlich knapp zweihundert Jahren eine Katastrophe globalen Ausmaßes alles Wissen über die Zeit davor verschlang, während die aktuelle Welt allmählich dem Verfall erliegt. Und dann gibt es da noch diese eine, verbotene Legende über die längst ausgestorbene Art der Wölfe - und über das Paradies... 

 

Als Zuschauer benötigt man ein paar Episoden, bevor man die Funktionsweise, die Möglichkeiten, Grenzen und Gesetze dieser Welt, voll und ganz verinnerlicht hat. Doch was bei vielen, wenn nicht den meisten anderen Serien eine klare Schwäche wäre, erweist sich im Falle von Wolf's Rain als große Stärke: Von Beginn an will man mehr über diese Version der Erde wissen, die futuristisch und archaisch, technologisch und von Magie durchzogen zugleich anmutet. Weder Handlungsort, noch Zeitpunkt, noch Genre lassen sich klar einordnen - Dank der flüssigen und stets bodenständigen Inszenierung sehr zum Vorteil der Serie.

Vier Freunde

So und nicht anders ließe sich ein Großteil des Inhalts von Wolf's Rain umschreiben. Denn Die Handlung selbst ist, bricht man sie auf den formalen Kern hinunter, indes nicht wirklich neu, fügt sich aber gerade deswegen gut zum beschriebenen Ersteindruck: 

Erzählt wird die Reise der vier Wölfe Tsume, Kiba, Hige und Toboe zu eben jenem sagenumwobenem Paradies, an das in dieser Welt - neben der Existenz von Wölfen - niemand mehr wirklich glauben will; inklusive einiger Mitglieder der Gruppe selbst. Und so ist es mehr eine Reise um des Reisens selbst willen: Das postapokalyptische Szenario hat Wesen wie ihnen (die sich mittels geistiger Illusion als Menschen tarnen) nichts zu bieten, sodass sich dem Zuschauer nach den obligatorischen zwei bis drei Episoden der Gruppenzusammenführung eine im Wortsinne abwechslungsreiche Reise durch die Welt von Wolf's Rain darbietet. Das hätte, allen fantasievollen Schauplätzen zum Trotz, grandios schiefgehen können, hätten die Macher der zwangsläufig auftretenden episodischen Struktur dieses Abschnitts nicht einen zweiten Handlungsstrang entgegengestellt:

Hubb Lebowski, seines Zeichens Polizist und Ex-Mann der Wissenschaftlerin Cher Degre - was schlussendlich bedeutsamer ist - reist den Wölfen in Unkenntnis ihrer Identität hinterher, um das Wesen Cheza zurückzuholen. Womit wir bei der geheimnisvollsten Figur angelangt wären: Cheza, eine Art weiblicher Homunkulus, wurde mittels Alchemie aus einer Mondblume erschaffen und gilt - soweit die Sicht der Wölfe - als Schlüssel zum Auffinden des Paradieses. Ein ausreichender Grund, sie mit auf die Reise zu nehmen - sehr zum Ärger von Cher Degre, deren wissenschaftliches Interesse an dem Blumenmädchen enorm ist.

Hubbs Suche nach Cheza bildet den weltlichen Gegenpol zu der von Visionen und mysteriösen Erscheinungen durchzogenen Reise der Wölfe. Zugleich ist sein Handlungsstrang - und damit auch der von Cher - der überspannende Handlungsbogen, der die faszinierenden, jedoch etwas lose verknüpften Erlebnisse der Wölfe in eine bodenständige Ordnung bringt. Episodische Struktur versus Handlungsbogen, Übersinnliches versus Bodenständigkeit und Wissenschaft - diese Rechnung geht hier, im Mittelteil der Serie, hervorragend auf.    

 

Was das Ende von Wolf's Rain betrifft, so muss man zwischen der Serie und den danach produzierten OVAs unterscheiden, die der Standardzuschauer jedoch aus guten Gründen dazuzählen wird. Das "wahre" Ende läge demnach nach 30 Episoden. Damit soll nicht gesagt sein, das ursprüngliche Ende sei schlecht - im Gegenteil - jedoch wirken die (nahtlos anknüpfenden) OVAs im Rückblick runder.

Mehr sollte an dieser Stelle nicht gespoilert werden, und tatsächlich ist das auch schwer möglich. Zumindest nicht, ohne diverse weitere (Neben-)Charaktere, deren Motivationen sowie ganze Handlungsschauplätze ausführlich zu erläutern - was unnötig wäre, denn die Kernessenz ist hiermit erfasst. Bis auf eins vielleicht: Wer ein Ende erwartet, dass alle aufgeworfenen Fragen restlos und ohne jedweden Diskussionsbedarf aufklärt, wird zutiefst enttäuscht von Wolf's Rain sein. Tatsächlich ist es sogar ein qualitatives Merkmal der Serie im Rahmen ihrer Inszenierung, genau dies nicht zu bieten. Doch wer auch nur die ersten zwei oder drei Episoden anschaut, dürfte sich darüber nicht weiter wundern.

Fazit

Wolf's Rain gehört zweifellos zu den großen Klassikern des Anime, was jedoch manchmal auch gerade ein Grund sein kann, gewisse Zuschauergruppen auszuschließen. So auch hier: Wer klare Antworten, ein fest definiertes Genre oder überhaupt etwas handfest Vertrautes sucht, sollte Wolf's Rain womöglich meiden. Für Freunde eher experimenteller Kost hingegen, die sich in eine fremde, so bislang noch nicht inszenierte Welt entführen lassen wollen - auch auf Kosten harter Fakten - ist die Serie durchweg empfehlenswert.

Anzahl Episoden: 30 (26 +4 OVAs)

Genre: Fantasy, Scifi, Abenteuer, Mysterie

Deutscher Publisher: OVA Films, Nipponart, Peppermint Anime

Erscheinungsdatum: 20.12.2004 bis 29.08.2005

FSK: Ab 16

Fazit
Das erste Aufeinandertreffen von Tsume und Kiba

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