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Danmachi: Is It Wrong to Try to Pick Up Girls in a Dungeon?

Das Medium Anime hat große Meisterwerke hervorgebracht. Einige der wohl eindringlichsten filmischen Momente meiner Pop-Kultur-Karriere habe ich dem Anime zu verdanken. Trauer, Wut, tiefe Verzweiflung oder auch ein befreiendes Lachen voller Tränen - all das lässt sich im Medium Anime einfangen. Wenn es denn sein muss. Aber muss es das immer? Natürlich nicht! Schließlich würde uns sonst Danmachi durch die Lappen gehen - und das wäre wirklich schade.

"Danmachi macht richtig Spaß"

Der ganz normale Wahnsinn in einer Familia: Bell und Hestia, ein Gespann von besonderer Art
Der ganz normale Wahnsinn in einer Familia: Bell und Hestia, ein Gespann von besonderer Art

Beginnen möchte ich diese (ohnehin spezielle) Review auf eine womöglich etwas ungewöhnliche Art und Weise, nämlich mit einem Zitat aus einer anderen Review auf anisearch. Der dortige Rezensent wählte den folgenden, meiner Ansicht nach durchaus klugen Einleitungssatz:

 

"Danmachi" macht richtig Spaß - das ist erst mal die Hauptsache.

-LPark, anisearch.de

 

Was rhetorisch und argumentativ kein großer Wurf zu sein scheint, ist mitunter gerade aufgrund seiner Einfachheit beachtenswert. Zumindest ich nämlich hatte schon beinahe vergessen, dass "anspuchslos" nicht immer gleichzusetzen ist mit "macht keinen Spaß" bzw. "macht nur Spaß, wenn man komplett das Gehirn ausschaltet". Leider tendiert die Unterhaltungsindustrie im Allgemeinen und Anime im Speziellen - gerade in den letzten Jahren - zunehmend dazu, sich in zwei Richtungen zu differenzieren: Entweder, die entwickelten Werke sind von außergewöhnlicher emotionaler Kraft und Präzision in der Ausführung, oder - in quasi sämtlichen Medien die Mehrheit des Hervorgebrachten - billige Unterhaltung für zwischendurch. Im Bereich Anime sind Ecchi (wovon, zugestanden, auch Danmachi nicht ganz verschont bleibt), Fanservice allgemein sowie, auf der anderen Seite der Medaille, absurdeste Gewaltorgien mit albern aussehenden Waffen die zu nennenden Stichworte. Nun, ich kann es mit Humor nehmen. Dennoch und wie gesagt: Fast hatte ich vergessen, dass ein Werk einen nicht bis zum Ende aller Tage in Sachen Story und Dramaturgie vom Hocker hauen muss, um nicht auf genannte Stilmittel angewiesen zu sein. Es gibt auch schlicht harmlose, nette Unterhaltung. Wie eben Danmachi.

 

Als abschließendes Statement dazu ein kurzer Blick hinter die Kulissen: Für gewöhnlich verfolge ich hier (zumindest inzwischen) eine "Politik des Besonderen". Soll heißen, wenn ein Anime zur Ehre der Review gelangt, ist selbiger entweder außergewöhnlich gut, außergewöhnlich schlecht oder zumindest in irgendeinem diskutablen Punkt komplett aus der Art schlagend - letzteres kommt dabei wohl umso seltener vor, je mehr Anime man kennt (selbst Furi Kuri billige ich das nur noch begrenzt zu). Auch ein im Vergleich zum Westen hohes Maß an moralischer Ambivalenz wäre eine Möglichkeit, wobei unser Teil der Weltkugel hier in den letzten knapp fünfzehn Jahren gut aufgeholt hat. Also auch eher unwahrscheinlich, zumindest als alleiniger Grund.

Natürlich trifft nichts davon auf Danmachi zu. Auch der eingangs zitierte Rezensent vergibt letztlich "nur" drei Sterne und bestätigt mich damit indirekt in meiner Entscheidung, hier ohne ein Punktesystem zu arbeiten. Denn darin liegt die eigentliche Faszination von Danmachi: Verdammt viel Fun zu bereiten, ohne formal betrachtet irgendwie herausstechend zu sein. Grund genug für eine Review.

Real-Life SAO

Dem Setting nach springt die Serie auf einen im Anime-Sektor schon vor Jahren etablierten und erst unlängst durch Sword Art Online wieder neu belebten Zug auf, wandelt diesen aber geschickt ab: Die gesamte Handlung spielt in einer Fantasy-Umgebung, deren Inhalte und Gesetze deckungsgleich mit denen einer MMORPG-Welt (oder VRMMORPG, wir wollen ja korrekt sein) sind. So schlägt Danmachi gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Einmal entfällt das stets etwas umständlich und konstruiert wirkende Handlungselement eines wahnsinnigen Konzernchefs oder eines unlösbaren Bugs, der die Spieler in der virtuellen Umgebung festhält - nebst aller weiteren Fragen etwa zu deren biologischem Überleben, die bei SAO auch nur notdürftig, wenngleich einigermaßen glaubhaft, beantwortet werden konnten. Zum anderen wird ein großer Teil der Zuschauergruppe die Regeln und Gesetze dieser Fantasywelt sofort verstehen, ohne dass erst ein Mister oder eines Misses "Exposition", wie ein enger Freund das gerne und zutreffend nennt, in Erscheinung treten muss. Gemeint damit sind Charaktere - nicht selten auch aus dem Hauptcast - welche anderen Charakteren Teile der Weltregeln "noch mal erklären", obgleich diese selbige, bei näherer Überlegung, problemlos kennen müssten. Auch Backstories langer bekannter Freunde werden gerne mal so vermittelt - Danmachi verzichtet weitestgehend auf derlei Monologe. Dabei muss man im realen Leben nicht einmal großer Rollenspieler sein, um die hier herrschenden Gesetze zu begreifen (ich selbst habe noch nie ein MMORPG angefasst). So betrachtet gestaltet sich der Serieneinstieg äußerst intuitiv.

 

Die eigentlich Handlung ist denn auch denkbar simpel und an das beschriebene Setting angelehnt: Der Hauptcharakter, Bell Cranel, wünscht sich nichts sehnlicher, als ein großer Abenteurer und Held zu werden, wobei er seinem Vorbild und gleichzeitig seiner Retterin, der erfolgreichen Aiz Wallenstein, geflissentlich nacheifert. Zur Verwirklichung seines Traums tut Bell das, was alle Abenteurer tun (und das nicht nur in Danmachi): Tagtäglich im Dungeon, der sich als hoher Turm im Stadtzentrum präsentiert, Monster jagen, farmen und seine Statuswerte verbessern. Dabei behilflich sind ihm - wie könnte es auch anders sein - nach und nach eine ganze Reihe weiterer Personen. Anzumerken ist an dieser Stelle dennoch, dass die Serie keineswegs episodischen Charakter hat, sondern jede Folge sauber an die vorangehende anschließt - Gott sei Dank, füge ich hinzu. Denn nur so kann die nötige Sympathie für die zwar einfach gestrickten, aber schlussendlich eben trotzdem nicht eindimensionalen Charaktere entstehen. Ein echter Drahtseilakt. Werfen wir einen Blick auf die Protagonisten:

 

Bell Cranel neigt bisweilen zur Überanstrengung...
Bell Cranel neigt bisweilen zur Überanstrengung...

Hauptprotagonist Bell Cranel unterscheidet sich von den Helden so manch anderer Geschichten durch eine wohltuende Kombination aus Fürsorglichkeit und Selbstzweifeln, gepaart mit einem hohen Maß an Ehrgeiz und Hartnäckigkeit in Bezug auf das Erreichen seines Ziels. Man kann es auch kürzer fassen: Bell nicht zu mögen, fällt unglaublich schwer, denn wohl jeder wird sich auf irgendeine Art in ihm wiedererkennen. Zudem wirkt sein Fortschritt innerhalb der Welt stets realistisch. Was Kirito aus SAO hätte sein können, ist Bell Cranel tatsächlich geworden. Und dabei war Kirito der Anlage nach kein schlechter Charakter. Sein Fehler war einfach, durch seine Eigenschaft als Powergamer jeden Bezug zum Zuschauer aufzugeben. Bell Cranel beginnt auf Level 1, Ebene 1 - und ist damit nicht weiter als wir. Gut so.

Hestia und ihr typisches Schmunzeln
Hestia und ihr typisches Schmunzeln

Hestia ist eine Göttin, auch wenn das, angesichts ihrer äußerlichen Erscheinung, wohl mit das Letzte ist, was man vermuten würde. Auch ihr unstetes Gebaren trägt nicht unbedingt zum gegenteiligen Eindruck bei. Hestia nimmt zweifelsohne den Platz der obligatorischen Tsundere in Danmachi ein und muss zudem als - berechtigter - Vorwand dafür herhalten, dass schlussendlich auch diese Serie nicht ganz ohne Schauwerte auskommt. Es hält sich aber in wirklich erträglichen Grenzen, und ich hätte nicht gedacht, dass sich dem Archetyp der Tsundere noch einmal so viel unverhoffter Charme abringen lässt. Nun ja, aus irgendeinem Grund hat er sich ja etabliert. In jedem Fall gewinnt auch Hestia schnell die Sympathie des Zuschauers. Mit dazu bei trägt ihre wundervolle Dynamik in Interaktion mit Bell, mit dem sie quasi in Symbiose steht. Teil der in Danmachi präsentierten Welt ist es nämlich, dass Götter und Abenteurer gemeinsam eine sogenannte Familia gründen, um zu Ruhm und Ehre gelangen zu können - und ganz wie Bell unter den Seinesgleichen ist auch Hestia zunächst eine Außenseiterin in der Welt der Götter.

Lili (r.) kann einen absurd großen Rucksack zu tragen
Lili (r.) kann einen absurd großen Rucksack zu tragen

Ferner nicht ohne Erwähnung bleiben sollte Liliruca Arde, kurz Lili und zugleich - Achtung, Minispoiler! - das erste weitere, feste Mitglied in Bells Familia. Lili ist ein Tiermensch, erkennbar an (auch hier: Wie könnte es anders sein?) gnadenlos putzigen, katzenartigen Ohren und einem fuchsartigen Schwanz. Im Kanon der etablierten Archetypen nimmt sie somit die Position des Lolicon-Charakters ein, ohne dass dies hier jedoch in irgendeiner Weise negativ ausgeschlachtet würde. Vielleicht ist Lili sogar der bestmögliche Lolicon überhaupt, denn im Grunde ist sie schlicht niedlich. Ihr als zuverlässig und leicht stürmisch gekennzeichneter Charakter tut sein übriges, um das Zuschauen zu einer Freude zu machen. Viel mehr lässt sich an dieser Stelle gar nicht verlautbaren, da mit Lili zugleich der erste größere Handlungskonflikt auftritt - und den möchte ich natürlich nicht spoilern.

Aiz' Gesicht bleibt zumeist ausdruckslos
Aiz' Gesicht bleibt zumeist ausdruckslos

Die bereits erwähnte Aiz Wallenstein ist, im Gegensatz zu Bell, Mitglied einer größeren Partie, was ihre - ohnehin erheblichen - Kampffähigkeiten zusätzlich verstärkt. Charakterlich lässt sie sich als gefasst und selbstreflektiert kennzeichnen. Während andere Mitglieder ihrer Gruppe auf den zunächst etwas unbeholfen wirkenden Bell Cranel herabsehen, ist Aiz Wallenstein hilfsbereit, beobachtend und vermeidet vorschnelle Urteile. Nichts desto weniger erschwert ihre zurückhaltende Art es trotz aller Sympathie, sich ein genaueres Bild von ihr zu machen. Wieder einmal lässt es sich knapper fassen: Sucht man die Dandere in der Serie, so ist man bei Aiz recht gut aufgehoben.

Überflüssig zu erwähnen, dass an dieser Stelle noch diverse weitere Charaktere ins Feld geführt werden könnten; ein jeder davon mit klarer Berechtigung. Ich beschränke mich hier auf die gezeigte Auswahl, die meiner Ansicht nach einen guten Eindruck von der ungefähren Palette Danmachis vermittelt. Nichts wirklich Neues, nichts tiefgreifend Innovatives, freilich - doch alles mit einem Charme umgesetzt, den es so schon sehr lange nicht mehr zu sehen gab. Und das ist manchmal die ganze Miete.

Fazit

"Danmachi" ist zweifellos weder ein Meisterwerk noch ein Anime, der in die Seriengeschichte eingehen wird. Sehen werden ihn dafür umso mehr. Denn ganz ehrlich: Wie viele Menschen haben je "Akira" gesehen? Oder "Cowboy Bebop"? Oder - eine Stufe härter, wenn nicht mehr - "Texhnolyze", dass ich hier unlängst zum mit einsteigerunfreundlichsten Anime aller Zeiten kürte. Aber eben auch einem der Besten. "Danmachi" ist, was Einsteigerfreundlichkeit betrifft, das genaue Gegenteil: Die süße Serie für den Freitagabend, die man sich gemütlich auf der Couch ansieht. Ganz ohne große Erwartungen, allein, zu zweit, mit oder ohne Pizza in der Hand. Und dafür könnte sie gar nicht besser gemacht sein - was will man mehr? Unbedingt anschauen!

 

Anzahl Episoden: 13

Genre: Comedy, Abenteuer, Action

Deutscher Publisher: Viewster AG, Anime House GmbH

Erscheinungsdatum: 07.04.2015 bis 26.06.2015

FSK: Ab 12


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